Aktuell gibt es kein Medikament, das Alzheimer oder eine andere Demenzform verhindern, aufhalten oder heilen kann. Alzheimer stellt eine äusserst komplexe und fortschreitende Erkrankung dar. Da bis heute noch nicht alle biologischen Krankheitsmechanismen bekannt sind, gestaltet sich die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung als anspruchsvoll. Seit vielen Jahren wird weltweit an verschiedenen Wirkstoffen zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit geforscht.
Aktuell:
Im Juli 2024 hat die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA den Wirkstoffe Donanemab in den USA zugelassen. Gleichzeitig wurde ein Zulassungsgesuch beim schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic eingereicht.
Im Juli 2024 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA eine Empfehlung des Wirkstoffes Lecanemab abgelehnt. Im August 2024 hat die britische Zulassungsbehörde für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte (MHRA) eine Marktzulassung für Lecanemab zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit erteilt. In der Schweiz ist ein Entscheid noch offen.
Zurzeit befinden sich über 100 unterschiedliche Wirkstoffe in klinischen Studien. In solchen Studien wird die Sicherheit, Dosierung, Verträglichkeit und Wirksamkeit der Wirkstoffe bei gesunden und an Alzheimer erkrankten Menschen untersucht. Dabei werden verschiedene Ansätze zur Behandlung der Erkrankung verfolgt, die unterschiedliche Wirkmechanismen im Gehirn anstreben.
Die in klinischen Studien untersuchten Wirkstoffe am Menschen können in drei Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe bilden Wirkstoffe, welche die Symptome einer Alzheimer-Erkrankung behandeln und lindern. Sie zielen entweder darauf ab die Hirnleistung zu stabilisieren oder Verhaltens- und Stimmungsstörungen einer erkrankten Person zu reduzieren. Diese Wirkstoffe können die Lebensqualität der Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen erhöhen. Doch sie zielen nicht primär darauf ab die biologischen Ursachen von Alzheimer zu behandeln und damit eine Erkrankung aufzuhalten oder zu heilen.
Daneben verfolgen die anderen beiden Gruppen das primäre Ziel die zugrundeliegende Biologie der Erkrankung zu modifizieren. Dadurch soll eine Verlangsamung oder im bestmöglichen Fall eine Heilung der Erkrankung erzielt werden. Dabei wird zusätzlich zwischen sogenannten «Biologika», d.h. Wirkstoffe, die von lebenden Organismen gewonnen und z. B. als Infusion verabreicht werden und sogenannten «kleinen Molekülen» unterschieden. Letztere werden in der Regel oral eingenommen.
In den klinischen Studien zu Wirkstoffen wird heutzutage mehrheitlich das Ziel verfolgt die zugrundeliegenden Mechanismen einer Alzheimer-Erkrankung zu beeinflussen. Dabei werden verschiedene Ansätze innerhalb der vermuteten Krankheitsentstehung (Video der Alzheimer Forschung Initiative e.V. dazu) verfolgt. Diese streben z. B. eine Reduktion der Ablagerungen von Tau- oder Beta-Amyloid-Eiweissen, eine Verhinderung der daraus resultierenden Entzündungsprozesse oder des Absterbens von Nervenzellen im Gehirn an.
Quellen: Cummings, J., Lee, G., Zhong, K., Fonseca, J., & Taghva, K. (2021). Alzheimer's disease drug development pipeline: 2021. Alzheimer's & Dementia: Translational Research & Clinical Interventions, 7(1), e12179.
Weltweit befinden sich mehrere Wirkstoffe zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit in einer fortgeschrittenen Entwicklungsphase. In den sogenannten klinischen Phase-3-Studien wird die Verträglichkeit und Wirksamkeit der Wirkstoffe an mehreren 1000 Studienteilnehmenden untersucht. Kann ein Hersteller den Behandlungserfolg eines Wirkstoffes erfolgreich belegen, erfolgt in der Regel die Marktzulassung.
In dieser späten Entwicklungsphase handelt es sich aktuell in der Mehrzahl der untersuchten Wirkstoffe um Antikörper, die sich gegen Ablagerungen von Eiweissen im Gehirn richten. Basierend auf dem aktuellen Wissensstand ist die Alzheimer-Krankheit unter anderem auf diese Eiweissablagerungen im Gehirn, sogenannte Beta-Amyloid (Aß)-Ablagerungen, zurückzuführen. Diese Aß-Ablagerungen entstehen durch die Anreicherung und Fehlfaltung der Eiweissstoffe im Gehirn, welche anschliessend giftige Moleküle bilden. Dies kann zu Entzündungen und Zelltod im Gehirn führen. Durch die Verabreichung von Antikörpern, welche auf diese für die Erkrankung charakteristischen Aß-Ablagerungen im Gehirn abzielen, sollen diese entweder reduziert oder deren Entstehung verhindert werden. Wirkstoffe, die diesen Ansatz verfolgen sind unter anderem der Wirkstoff mit dem Namen «Donanemab» des amerikanischen Pharmaunternehmens Eli Lilly, sowie der Wirkstoff bekannt unter den Namen «Lecanemab» und «BAN2401» des japanischen Pharmaunternehmens Eisai und der Partnerfirma Biogen.
Gemäss Medienmitteilung von Eli Lilly vom 3. Mai 2023 verlangsamte die Behandlung mit Donanemab in einer Phase-3-Studie die klinische Verschlechterung um 35% im Vergleich zu Placebo und führte zu einer um 40% geringeren Beeinträchtigung der Fähigkeit Aktivitäten des täglichen Lebens durchzuführen. Der Wirkstoff wurde im Juli 2024 in den USA zugelassen.
Die beiden Unternehmen Eisai und Biogen haben zudem Ende November 2022 ermutigende Ergebnisse zu ihrem Wirkstoff Lecanemab präsentiert. Am 6. Januar 2023 wurde der Wirkstoff in den USA zugelassen. Im Juni 2023 hat Eisai ein Zulassungsgesuch beim schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic eingereicht. Im Juli 2024 hat die Europäische Arzneimittelbehörde eine Empfehlung des Wirkstoffes abgelehnt.
Des Weiteren hat das Antikörper-Medikament mit dem Wirkstoff «Aducanumab» des amerikanischen Biotechnologie-Unternehmens Biogen im Jahr 2021 die Zulassung in den USA erhalten. In der EU ist das Medikament nicht zugelassen. Im April 2021 reichten Biogen/Eisai ein Zulassungsantrag in der Schweiz ein. Dieses wurde jedoch im Mai 2022 zurückgezogen. Weitere klinische Studien werden in den kommenden Jahren durchgeführt, um die Wirksamkeit des Medikamentes abschliessend zu untersuchen.
Alzheimer Europe gibt einen Überblick über alle klinischen Studien in Europa zum Thema Demenz.
Auch die Schweiz beteiligt sich an der Erforschung von Medikamenten zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Dabei wurde zuletzt besonderes Gewicht dem Wirkstoff mit dem Namen «Gantenerumab» des Pharmakonzerns Roche beigemessen, welcher in klinischen Phase-3-Studien untersucht wurde. Auch bei diesem Wirkstoff handelt es sich um einen Antikörper, welcher sich gegen die Aß-Ablagerungen im Gehirn richtet. In den Auswertungen der Phase-3-Studien erwies sich Gantenerumab jedoch als zu wenig wirksam, auch in hoher Dosierung.
Das Portal zur Humanforschung in der Schweiz des Bundesamtes für Gesundheit gibt einen Überblick über alle klinischen Studien in der Schweiz.
Zur Videoaufzeichnung eines Gesprächs von Stefanie Becker mit Dr. Claus Bolte, Bereichsleiter Zulassung – Marketing Authorization, Swissmedic
Wann wird ein Medikament von der Krankenversicherung vergütet?
Erhält ein Arzneimittel die Zulassung, benötigt es weitere Schritte, bis das Medikament vergütet wird. Denn in der Schweiz werden Medikamente nur dann im Rahmen der obligatorischen Grundversicherung vergütet, wenn sie einerseits von einem Arzt verschrieben werden und andererseits, wenn sie in der Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) aufgeführt werden.
Aufnahme in Spezialitätenliste
Um in die Spezialitätenliste aufgenommen zu werden, muss das entsprechende Unternehmen einen Antrag beim BAG stellen (vgl. Abb. 1). Dies kann bereits während des Zulassungsverfahren erfolgen, solange es einen positiven Vorentscheid von der Schweizerischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte Swissmedic gibt. Anschliessend prüft das BAG, ob das Medikament den sogenannten wzw-Kriterien entspricht. Diese besagen, dass das Medikament sowohl wirksam, zweckmäßig als auch wirtschaftlich sein muss. Dabei werden Aspekte wie die Wirksamkeit im Vergleich zu bestehenden Therapien, die Langzeitwirksamkeit und die Sicherheit berücksichtigt. Hinsichtlich der Zweckmässigkeit eines Medikamentes wird unter anderem der medizinische Bedarf für die Schweiz geprüft, als auch ethische Aspekte oder die mögliche Missbrauchsgefahr miteinbezogen. Die Wirtschaftlichkeit und die Preisgestaltung des Medikamentes werden anhand eines Quervergleichs mit bereits zugelassenen Medikamenten für die Behandlung der gleichen Krankheit sowie durch einem Auslandsvergleich für das gleiche Medikament ermittelt. Für letzteres werden Länder berücksichtigt, die in Bezug auf den Pharmabereich wirtschaftlich vergleichbar mit der Schweiz sind wie z. B. Deutschland oder Schweden. Ebenfalls spielen bei der Wirtschaftlichkeit das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die Kostenfolgen des Medikaments eine Rolle.
Bei ihrer Beurteilung wird das BAG durch die eidgenössische Arzneimittelkommission (EAK) beraten. Das Aufnahmeverfahren beträgt mindestens 18 Wochen, wobei der Median bei 200 Tagen liegt. Das bedeutet, dass die Hälfte der Verfahren kürzer dauert, während die andere Hälfte länger als 200 Tage in Anspruch nimmt. Wird ein zugelassenes Medikament in die Spezialitätenliste aufgenommen, wird es alle drei Jahre erneut überprüft.
Abb 1. Aufnahme in Spezialitätenliste (Bundesamt für Gesundheit BAG, Abteilung Kommunikation und Kampagnen, 2023)
Vergütung im Einzelfall
Befindet sich ein Medikament nicht in der Spezialitätenliste, wird es grundsätzlich nicht von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet. Es gibt jedoch ein paar wenige Ausnahmefällen, in denen eine individuelle Vergütung im Einzelfall erfolgen kann. Dazu muss eine der nachfolgen Bedingungen erfüllt sein:
1. Das Medikament weist einen grossen therapeutischen Nutzen gegen eine Erkrankung auf, die tödlich verlaufen oder eine schwere und chronisch gesundheitliche Beeinträchtigung zur Folge haben kann. Zudem ist keine andere wirksame und zugelassene Behandlungsmethode verfügbar.
2. Das Medikament stellt eine unerlässliche Voraussetzung für die Durchführung einer anderen Leistung, die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen wird, dar und diese steht eindeutig im Vordergrund.
Solche Ausnahmefälle erfordern einen Antrag bei den Krankenkassen, die dann einen individuellen Preis für das Medikament aushandeln.
Weitere Therapiemöglichkeiten
Bisherige in der Alzheimer-Therapie eingesetzte Medikamente wirken indirekt, indem sie die Hirnleistung stimulieren, den Krankheitsverlauf damit etwas verzögern und vor allem die Begleiterscheinungen der Erkrankung wie beispielsweise Depression oder Unruhe günstig beeinflussen.
Der Beitrag «Medikamentöse Therapie bei Demenz» bietet einen Überblick.
Neben medikamentösen Behandlungsformen gibt es auch nichtmedikamentöse Therapien, die insbesondere bei Begleitsymptomen und psychischen Symptomen helfen.
Der Beitrag «Nichtmedikamentöse Therapien» bietet einen Überblick.