Cristina Karrer (58) oft Gast im Zürcher Flughafen
Knapp drei Jahre habe ich gebraucht, um meine demenzerkrankte Mutter zu überzeugen, zu mir nach Südafrika zu ziehen. Da sie ihren geliebten Hund mitnehmen durfte, stimmte sie schliesslich zu. Die letzten Tage in der Schweiz waren gleichwohl geprägt von Rückziehern: Ich stellte die Koffer gut sichtbar in die Wohnung rauf und fand sie abends wieder im Keller unten. Am Abreisetag war bei ihr jegliches Aber wie weggewischt, ohne Blick zurück. Ich hingegen tat während des Flugs kein Auge zu, voller Zweifel, ob das denn der richtige Entscheid war, ob ich sie unnötigen Gefahren aussetze. Rasch hat sich meine Mutter eingelebt; auch dank der liebevollen Betreuung und Pflege. Es spielt bis heute keine Rolle, dass die Betreuerin, die bei uns wohnt, kein Deutsch spricht und meine Mutter inzwischen – wenn überhaupt – nur noch Schweizerdeutsch. Bei Streitigkeiten meint sie sogar, wir sollen aus IHREM Haus raus. Das Leben zu viert auf kleinem Raum kostet mich manchmal viel Kraft. Allerdings ist das frühere Gefühl, dass meine Mutter mir durch die Krankheit und Distanz entgleitet, weg. Nun fühle ich trotz meinen beruflichen Abwesenheiten, dass sie am richtigen Ort, sprich bei mir, ist. Wir erleben gute und schlechte Momente und ich nehme wie nie zuvor an ihrem Leben teil. Der «Zufall» wollte es, dass ich seit Anfang 2018 nicht in Südafrika einreisen darf. Das stresst mich enorm und ich hadere damit: Ich wollte meiner Mutter nahe sein, und nun trennen uns wieder über zehn Flugstunden. Wöchentlich rufe ich an und freue mich, dass sie meine Stimme erkennt. Zwar kann sie inzwischen nicht mehr vieles verständlich äussern, aber wir «unterhalten» uns so wie daheim: Wir pfeifen, zischen und grunzen am Telefon. Dieser Code verbindet uns über die räumliche Distanz hinweg. Wir haben ihn in den letzten Jahren entwickelt.
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