Von der Selbsthilfe zur nationalen Organisation: Geschäftsführerin Stefanie Becker schildert, wie sich Alzheimer Schweiz seit 1988 professionalisiert hat.
Wieso wurde diese Organisation gegründet?
Am 8. Juni 1988 wurde der Verein «Schweizerische Alzheimervereinigung» im Sinne einer Selbsthilfeorganisation von einer Angehörigen im Kanton Waadt als Anlauf- und Informationsstelle für Angehörigen gegründet. Bereits 1989 hatte der Verein 350 Mitglieder und gründete Sektionen in anderen Sprachregionen der Schweiz. 2018 erfolgt die Namensänderung zu Alzheimer Schweiz. Seit der Gründung hat eine starke Professionalisierung stattgefunden und heute sind wir schweizweit als nationales Kompetenzzentrum für das Leben mit Demenz anerkannt.
Welches sind die grössten Erfolge?
Wir reichten 2009 zwei parlamentarische Motionen ein, die zur Nationalen Demenstrategie 2014-2019 führten. Diese wird heute als Nationale Plattform Demenz fortgeführt. Ein wichtiger Meilenstein war die Gründung des nationalen Alzheimer-Telefons 2004. Seither werden jährlich fast 3000 Ratsuchende kostenlos in drei Landessprachen kompetent und empathisch beraten. Mit unseren Publikationen tragen wir zu objektiver und aktueller Information bei. Zentral ist die jährliche Aktualisierung der Prävalenzzahlen, die schweizweit zitiert werden, sowie die wichtigen Facts & Figures zu Demenzkosten oder das Demenzbarometer. Der Umzug der nationalen Geschäftsstelle in die Hauptstadt Bern 2017 war ein wichtiger Beitrag zur Visibilität unserer Organisation und besseren Kooperation mit unseren Partnern.
Welches sind die grössten Herausforderungen?
Wegen Tabus und Stigmatisierung erhalten viele Erkrankte erst spät eine korrekte Diagnose. Dies hat negative Folgen für ihre selbstbestimmte Lebensgestaltung. Eine frühzeitige Diagnose wird mit Blick auf die möglicherweise auch bald in der Schweiz verfügbaren neuen Medikamente, noch wichtiger. 47 Prozent der Gesamtkosten von Demenz sind indirekten Kosten, die Angehörige mit ihrer unentgeltlichen Betreuung leisten. Sie entlasten die Gesellschaft damit jährlich um rund 5,5 Milliarden Franken. Aber noch immer wird die Betreuung nicht finanziert und gibt es zu wenige Entlastungsmöglichkeiten
Die Zahl von Menschen mit Demenz wächst, gleichzeitig besteht ein Fachkräftemangel sowie knappe Ressourcen. Dies führt dazu, dass die Qualität der zeitaufwändigen Pflege von Menschen mit Demenz, immer mehr gefährdet ist. Die Zahl der Jungerkrankten steigt ebenfalls. Das Wissen um ihre Bedürfnisse, sowie die ihrer Familien ist bei weitem noch nicht ausreichend verbreitet – auch in medizinischen Kreisen. Angemessene Angebote, besonders in der Langzeitpflege, existieren zu wenig.
Viele Herausforderungen zeichnen sich ab, wenn die neuen Medikamente auch in der Schweiz zugelassen werden sollten. Für ein adäquates Erwartungsmanagement sind Beratungen zu Risiken und Nebenwirkungen eine wichtige Voraussetzung. Gleichzeitig dürfen diejenigen nicht vergessen werden, welche für die Therapie mit den neuen Wirkstoffen nicht in Frage kommen.
Wie setzen wir uns für eine demenzfreundliche Gesellschaft ein?
Alzheimer Schweiz ist als nationales Kompetenzzentrum sowohl im Bereich der Aufklärung (Social Media, Kampagnen, Infomaterial, Studien zu facts&figures, etc.), aber auch mit vielen demenzspezifischen Angeboten in unseren kantonalen Sektionen schweizweit aktiv. Die Kooperation mit unseren Partnern, z.B. im Rahmen der Nationalen Demenzkonferenz (Public Health Schweiz) oder mit dem Verein Swiss Memory Clinics trägt dazu bei, dass wir verschiedene Zielgruppen gezielt informieren und sensibilisieren können. Auch engagieren wir uns im politischen Bereich, so z.B. für Betreuungsfinanzierung.
Was bedeutet die aktuelle Konferenz von Alzheimer Europe für uns?
Die Alzheimer Europe Conference 2024 in Genf als Partnerin von Alzheimer Europe ausrichten zu können, ist eine grosse Freude für Alzheimer Schweiz. Sie bietet die Plattform, im Europäischen Rahmen unsere Aktivitäten zu präsentieren. Sie ermöglicht es uns auch innerhalb der Schweiz, auf die Herausforderungen, die im Bereich Demenz noch immer bestehen und besonders auch zukünftig auf uns zukommen, aufmerksam zu machen.
=> Zu unserer Übersicht über die Alzheimer Europe Konferenz in der Schweiz
Alzheimer Schweiz in Kürze
Alzheimer Schweiz wurde 1988 als eine unabhängige, gemeinnützige Organisation gegründet. Sie engagiert sich als nationales Kompetenzzentrum für ein gutes Leben mit Demenz. Bei unseren 21 kantonalen Sektionen und der nationalen Geschäftsstelle finden Menschen mit Demenz, wie auch ihre Angehörigen und Bezugspersonen niederschwellig Beratung, Informationen und vielfältige Angebote unter www.alzheimer-schweiz.ch.