Demenz und Berufstätigkeit
Menschen, die vor dem Erreichen des Pensionsalters an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz erkranken sind oft noch erwerbstätig. Sie und ihre Familien stehen deshalb vor besonderen Herausforderungen.
Kann jemand mit einer Demenzdiagnose weiterhin berufstätig sein? Wann und wie informiert man im Arbeitsumfeld? Welche Hilfen gibt es, wenn man die Arbeit verliert? Nachfolgend finden Betroffene Informationen zu wichtigen finanziellen und rechtlichen Fragen.
1. Erwerbsleben:
- Krankheitsbedingte Abwesenheiten: Hat der Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, übernimmt diese 80 Prozent des Lohnes während maximal 730 Tagen. Besteht weder eine Krankentaggeldversicherung, noch eine Regelung im Einzelvertrag oder im Gesamtarbeitsvertrag, gilt die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht. Diese hängt von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Je nach Situation braucht es weitere Abklärungen, bis über die sozialversicherungsrechtlichen Leistungen entschieden wird (insbesondere Arbeitslosenversicherung, Invalidenversicherung).
- Reduktion des Arbeitspensums und Anpassung der Aufgaben: Menschen mit einer Demenz fällt es krankheitsbedingt u. a. schwer, Termine einzuhalten oder genau so leistungsfähig zu sein wie vor der Erkrankung. Oft fehlt die Person auch häufiger am Arbeitsplatz als früher. Solche Verhaltensänderungen bergen Konfliktpotential. Die Arbeitszeit zu reduzieren und das Aufgabenprofil anzupassen, kann entlasten und einen längeren Verbleib im Arbeitsleben ermöglichen. Dies führt aber zu einer Reduktion des Einkommens, der beruflichen Vorsorge und allenfalls auch des AHV-Rentenanspruchs. Unter Umständen muss dann der Lebensstandard angepasst und mögliche finanzielle Unterstützungsleistungen abgeklärt werden. Aus finanziellen und versicherungsrechtlichen Gründen ist davon abzuraten, als erkrankter Arbeitnehmer von sich aus zu kündigen. Sinnvoller ist es, eine IV-Abklärung anzustreben.
- Konflikte am Arbeitsplatz: Demenzerkrankungen sind in der Arbeitswelt noch kaum ein Thema. Häufig müssen die Erkrankten selbst und ihr Umfeld Aufklärungsarbeit leisten. Verfügt der Arbeitgeber über keine internen oder externen Anlaufstellen, können sich die Konflikte verhärten und werden oft juristisch ausgetragen. Um solche belastenden Situationen zu vermeiden, ist es wichtig, dass Betroffene frühzeitig ihr Arbeitsumfeld informieren. Gerne beraten wir dazu am Alzheimer-Telefon 058 058 80 00.
2. Verlust der Arbeitsstelle:
Verliert eine Person ihre Stelle, hat sie Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Ist die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden, kommt die Invalidenversicherung zum Zug. Nebst einer Rente spricht diese auch eine Hilflosenentschädigung zu, wenn eine erkrankte Person für alltägliche Tätigkeiten wie Ankleiden, Essen, Körperpflege, gesellschaftlichen Kontakte oder praktische Lebensbegleitung die Hilfe einer Drittperson benötigt. Mit einem Assistenzbeitrag kann die erkrankte Person eine nicht verwandte Person anstellen, die diese Unterstützung leistet.
- Hilflosenentschädigung: Jung an Demenz erkrankte Personen sind körperlich sehr wohl in der Lage, Alltagstätigkeiten auszuführen. Sie brauchen aber Unterstützung, um z.B. regelmässig ans Essen zu denken, dem Wetter angepasste Kleider anzuziehen oder einen Coiffeur-Termin einhalten zu können. Diese Begleitung ist wichtig und aufwändig. Leider wird sie nicht immer in vollem Umfang anerkannt, gerade etwa bei der Evaluation des Hilflosigkeitsgrads. Deshalb müssen beim Abklärungsgespräch nicht die Stärken, sondern die Schwächen und der Unterstützungsbedarf der erkrankten Person explizit dargelegt werden. Es empfiehlt sich auch, für den Antrag eine geübte Fachperson beizuziehen.
- Assistenzbeitrag: Wer eine Hilflosenentschädigung der IV erhält und Unterstützung benötigt, kann bei der zuständigen IV-Stelle einen Assistenzbeitrag beantragen. Damit kann die jung erkrankte Person als Arbeitgeberin eine oder mehrere nicht verwandte Personen anstellen, die die nötige Unterstützung leisten. Für Menschen mit Demenz werden die mit der Arbeitgeberrolle verbundenen Aufgaben schnell zur Überforderung und es ist für sie auch nicht einfach, mit ihnen gänzlich unbekannten Menschen zu tun zu haben. Häufig verzichten sie deshalb auf einen Assistenzbeitrag und Angehörige übernehmen die notwendige Unterstützungsleistungen ohne Bezahlung. Für Menschen mit Demenz ist es deshalb sinnvoll, dass der Assistenzbeitrag auch die Anstellung von Angehörigen zulässt, wie es Nationalrat Christian Lohr in der Parlamentarischen Initiative 12.409 fordert.
3. Gesundheitskosten:
- Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Grundversorgung im Bereich medizinische Leistungen und Pflege (etwa Hilfe bei der Körperpflege), nicht aber die Kosten für die Begleitung und Betreuung. Genau das benötigen aber jung an Demenz erkrankte Personen in erster Linie. Auch nichtmedikamentöse Therapien (Ergo- und Physiotherapie, Logopädie, körperorientierte und Aktivierungs-Therapien, Psychotherapie usw.) werden nur beschränkt übernommen, obwohl sie sehr gute Wirkung zeigen. Hier lohnt es sich, die finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten mit einer Fachperson abzuklären
4. Autofahren/Mobilität:
Die Fahreignung nimmt rasch ab, weil die Fähigkeit schwindet, schnell und angemessen auf unerwartete Situationen zu reagieren. Verzichtet die erkrankte Person nicht freiwillig auf den Führerschein, sind ärztliche Fachpersonen berechtigt, die Behörden über gesundheitliche Probleme zu informieren, welche die Fahreignung der Person beinträchtigen. Belegt eine weitere Abklärung die Fahruntauglichkeit, wird der Fahrausweis entzogen. Muss die Person regelmässig reisen (z.B. weil sie nach wie vor berufstätig ist), muss sie auf andere Transportmittel umsteigen. Das Reisen mit dem öffentlichen Verkehr kann aber aufgrund der mit der Demenz verbundenen Verhaltensänderungen schwierig werden (Verlust von Zeit- oder Ortsgefühl, enthemmtes Verhalten) und auch das Entlastungsangebot von Freiwilligenorganisationen ist begrenzt. So wird manchmal der Arbeitsweg zu einem fast genauso grossen Problem wie die Arbeit selbst. Auch hier ist vor Ort abzuklären, ob Unterstützungsmöglichkeiten bestehen.
5. Vorsorge und Erwachsenenschutz:
Im Hinblick auf den progressiven Verlust der Urteilsfähigkeit müssen viele Vorkehrungen getroffen werden, damit finanzielle, rechtliche und persönliche Entscheidungen auch nach Eintritt der Urteilsunfähigkeit möglichst im Sinn der Person getroffen werden können (Vollmacht, Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung). Geschieht dies nicht und besteht keine Vertretung von Gesetzes wegen, ist es Aufgabe der Erwachsenenschutzbehörde, eine angemessene Beistandschaft vorzusehen. Jung Erkrankte müssen also nicht nur mit ihrer Diagnose und Krankheit umgehen lernen, sondern gleichzeitig die persönliche Situation neu beurteilen und komplexe Rechtsfragen regeln. Dies führt zu einer erheblichen Belastung in einer an sich schon schwierigen Situation.
Es ist auch für die Nahestehenden oder Angehörigen manchmal kaum einzuschätzen, in welchen Situationen die demenzkranke Person urteilsfähig ist oder nicht. In den ersten Stadien der Krankheit wird davon ausgegangen, dass die Person urteilsfähig ist. Dies kann im Alltag und natürlich bei komplexeren Rechtsgeschäften zu Problemen führen, weil sie als urteilsfähige Person für ihre Handlungen die Konsequenzen tragen muss (z.B. bei unkontrollierten Käufen).
6. Haftungsfragen:
Ist die Urteilsunfähigkeit einer erkrankten Person belegt, haftet sie mit wenigen Ausnahmen nicht für den von ihr verursachten Schaden, weil das Verschulden fehlt. Im Strafrecht wird bei einer urteilsunfähigen Person von einer Strafe abgesehen, da die betreffende Person aufgrund der Demenz die Unrechtmässigkeit ihrer Handlung nicht versteht. Ausschlaggebend ist, dass eine Diagnose vorliegt.
Hier sind vor allem die ersten Phasen der Demenz nicht ganz einfach. Bei jung Erkrankten ist es häufig schwierig einzuschätzen, bis wann die Urteilsfähigkeit vorausgesetzt werden kann bzw. ab wann von der Urteilsunfähigkeit ausgegangen werden muss.
Haftung der Angehörigen: Angehörige haben von Gesetzes wegen keine spezifischen Aufsichtspflichten gegenüber der erkrankten Partnerin, dem erkrankten Partner. Es kann im Einzelfall aber versucht werden, ihnen eine Haftung aufzubürden. Allerdings muss dann geprüft werden, ob sie die geeigneten Massnahmen ergriffen haben, um Fehlhandlungen der betroffenen Person zu vermeiden. Dass die erkrankte Person mit der üblichen und nach den konkreten Umständen geforderten Sorgfalt beaufsichtigt wurde, ist in der Regel aber beweisbar. Für die Angehörigen ist es aber trotzdem ein zusätzlicher Stressfaktor, der den Alltag prägt.
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