Vom Vorstand zur Freiwilligenarbeit: Ein neue Erfahrung
Nach vier Jahren als Präsidentin von Alzheimer Schweiz suchte Catherine Gasser nach einer Möglichkeit, weiter aktiv zu bleiben. «Ich wollte nicht einfach aufhören, sondern weiterhin etwas Sinnvolles tun,» erzählt sie. Heute engagiert sie sich als Freiwillige und entdeckt dabei ganz neue Seiten an sich selbst. «Ich bin leidenschaftliche Leserin und Reisende, aber die Arbeit mit Menschen mit Demenz ist etwas Besonderes. Sie gibt mir eine neue Perspektive auf das Leben.»
Familiensysteme: Ein Blick über den Tellerrand
Bei ihren Reisen, zuletzt nach Tunesien, fällt Gasser immer wieder auf, wie stark die familiären Strukturen in anderen Kulturen sind. «Alleinsein im Alter scheint dort kaum ein Thema zu sein, weil die Familie eine tragende Rolle spielt,» erklärt sie. Gleichzeitig liegt die Verantwortung oft auf den Schultern der Frauen.
In der Schweiz hingegen sei die Einsamkeit älterer Menschen ein wachsendes Problem. «Gerade bei Demenz wissen wir, wie wichtig sozialer Kontakt ist. Die Herausforderung der Zukunft wird sein, wie wir ein Gefühl der Zugehörigkeit schaffen können, besonders für Menschen ohne nahe Verwandte.»
Veränderung durch Begegnungen
Catherine Gasser gibt offen zu, dass Alzheimer und Demenz früher zu den Krankheiten gehörten, die ihr am meisten Angst machten. «Als jemand, der stark im Kopf lebt, war der Gedanke an den Verlust von Kontrolle beängstigend.» Doch durch ihre Freiwilligenarbeit in der Sektion Bern hat sich diese Angst gewandelt. «Ich merke, wie sich voreingenommene Einstellungen auflösen – sowohl meine eigenen als auch die der Betroffenen mir gegenüber.» Diese Erkenntnis ist ein wesentlicher Aspekt, der zeigt, wie Freiwilligenarbeit helfen kann, persönliche Ängste zu überwinden und zu einer tieferen Akzeptanz zu gelangen.
Begegnungen, die verbinden
Ein zentraler Punkt ihrer freiwilligen Tätigkeit sind die Begegnungen mit den Menschen. «Es passiert immer etwas – sei es ein Moment des Lachens, ein tiefes Gespräch oder einfach die stille Anwesenheit. Das Zusammensein ist unheimlich bereichernd.» Für Gasser zählt besonders die Gegenwärtigkeit dieser Momente. «Vergangenheit und Zukunft spielen keine Rolle. Es geht darum, im Hier und Jetzt zu sein.»
Kreativität neu entdecken
Eine besondere Episode beschreibt, wie sie während einer Kunstsession inspiriert wurde: «Wir hatten Leinwände, Farben und Pinsel – einfach zum Ausprobieren. Einer der Teilnehmenden malte ein ausdrucksstarkes Bild, das mich so beeindruckte, dass ich mir selbst eine Leinwand besorgte und einen Nachmittag lang malte.» Für Gasser war dies mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung: «Es war eine Rückkehr zu etwas, das ich lange nicht gemacht hatte. Die Freiwilligenarbeit hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, solche kreativen Räume für sich selbst zu schaffen.»
Kultur und Bewegung: Mehr als nur Freizeitgestaltung
Catherine Gasser schwärmt von den vielseitigen Angeboten der kantonalen Sektionen von Alzheimer Schweiz. Ob Museumsbesuche, Minigolf oder gemeinsames Singen – diese Aktivitäten fördern nicht nur die sozialen Kontakte der Betroffenen, sondern auch die der Freiwilligen. «Wann habe ich das letzte Mal laut gesungen? Wahrscheinlich in meiner Kindheit. Hier ist es völlig egal, ob die Töne perfekt sind – es geht um die Freude, die wir dabei empfinden.»
Das Team der Freiwilligen: Vielfalt, die bereichert
Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Team der Freiwilligen. «Ich bin jedes Mal beeindruckt, wie unterschiedlich wir alle sind und wie gut wir zusammenarbeiten. Wir spiegeln die Gesellschaft wider und treffen auf Menschen aus verschiedenen Lebenswelten.» Diese Vielfalt empfindet sie als Stärke, die den Austausch und die gemeinsame Arbeit bereichert.
Unsicherheiten annehmen: Eine Lektion fürs Leben
Viele Menschen zögern, sich ehrenamtlich zu engagieren, weil sie sich unsicher fühlen. Gasser kann das gut nachvollziehen: «Auch ich hatte anfangs Respekt, vor allem vor der Herausforderung, Menschen mit Demenz zu begegnen.» Doch sie hat gelernt, diese Unsicherheit anzunehmen.
«Es ist keine Schwäche, sondern eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen, sondern einfach da zu sein und Zeit zu schenken.»
Was zukünftige Freiwillige wissen sollten
Was braucht es, um Freiwilligenarbeit zu leisten? Gasser hebt vor allem Offenheit und Lernbereitschaft hervor. «Man muss bereit sein, sich auf Neues einzulassen und seine Komfortzone zu verlassen. Eine gewisse körperliche Fitness spielt auch eine Rolle, da viele Aktivitäten mit Bewegung verbunden sind.» Sie betont, dass es nicht um Perfektion geht, sondern darum, präsent zu sein und sich auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzustellen.
Freiwilligenarbeit ist eine echte Bereicherung
«Man tut sich viel Gutes, wenn man anderen Gutes tut», fasst Gasser ihre Erfahrung zusammen. Ihre Freiwilligenarbeit hat sie nicht nur bereichert, sondern ihr auch neue Perspektiven eröffnet – sei es im Umgang mit Demenz oder in der Wiederentdeckung ihrer kreativen Seite. Sie ermutigt andere, sich auf diese Reise einzulassen: «Es gibt so viel zu gewinnen – für die Betroffenen, aber auch für einen selbst.»