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Mann mit Demenz sitzt mit seiner Frau auf einer Bank

Gemeinsame Position zur Revision der Vergütung im Einzelfall (KVV Art. 71a-d) | 11. Oktober 2022

Zugang zu offiziell nicht vergüteten Therapien

Jedes Jahr benötigen über 30'000 Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Krankheiten in medizinisch begründeten Ausnahmefällen Zugang zu offiziell nicht vergüteten Therapien. Dank dem Artikel 71a-d der Krankenversicherungsverordnung (KVV) können diese Patientinnen und Patienten von einem raschen Zugang zu dringend notwendigen Behandlungen profitieren. Der «Art. 71» ist eine Erfolgsgeschichte und aus der Patientenversorgung – insbesondere auch in der Onkologie und bei seltenen Krankheiten – nicht mehr wegzudenken. Im Rahmen von Untersuchungen wurde festgestellt, dass es in der Schweiz keinen rechtsgleichen Zugang zu gleichen Therapien gibt und dies häufig vom Wohnort und der Krankenkasse, bei der man versichert ist, abhängig ist. Zudem bestehen Probleme bei der Aufnahme von neuen innovativen Medikamenten auf die Spezialitätenliste (SL). Darum will der Bundesrat nun mit der geplanten Revision der KVV den «Art. 71» revidieren. Leider wird damit weder das Problem des rechtsgleichen Zugangs zu neuen lebenswichtigen Medikamenten verbessert, noch eine schnellere Aufnahme auf die SL gewährleistet.


Die vom Bundesrat geplante Revision der KVV hätte spürbar negative Folgen:

  • Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen erhielten je länger je weniger den dringend benötigten Zugang zu innovativen Therapien Neu sollen für die Vergütung im Einzelfall klinisch kontrollierte Studien vorliegen. Beim Off-Label-Use, welcher derzeit 70-80% aller Ausnahmefälle ausmacht, liegen aber solche Studien naturgemäss nicht vor. Als Konsequenz würden diese Behandlungen nicht mehr vergütet werden. Dies würde die Bestimmung von Art. 71a KVV seines eigentlichen Zwecks berauben und betroffene Patientinnen und Patienten in eine Notlage bringen.
  • Geplante Überbrückungs-SL führt zu Ungleichbehandlung
    Art. 71a-d ist ein Ausnahmeartikel, welcher einen Einzelfallentscheid der Krankenversicherung vorsieht. Die geplanten Änderungen führen deshalb zu einer Ungleichbehandlung von Patientinnen und Patienten, welche auf die rasche Vergütung von neu durch Swissmedic zugelassene Produkte und Indikationen angewiesen sind.
  • Die Revisionsvorlage enthält keine wesentlichen Änderungen, mit denen die Probleme effektiv gelöst werden könnten, mit denen Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte derzeit bei der Beantragung einer Kostenübernahme im Einzelfall konfrontiert sind.

Namentlich:

  1. der administrative Aufwand für alle Beteiligten wird nicht reduziert, sondern im Gegenteil noch erhöht.
  2. die stetig steigende Anzahl an Gesuchen, welche zu immer grösseren Verzögerungen beim Zugang der Patienten zu Therapien führt, wird nicht verringert.
  3. Die Ungleichbehandlung bei der Kostenübernahme bleibt bestehen.

Die unterzeichnenden Organisationen weisen deshalb die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision zurück und bieten gleichzeitig Hand für die gemeinsame Ausarbeitung einer neuen Vorlage.

Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:

  • Fokussierung des KVV Art. 71a-d auf den Off-Label-Use (nicht von Swissmedic zugelassene Anwendungsgebiete oder Produkte)
  • Die neuen Regelungen von kontrollierten Studien, welche eine 35% Verbesserung nachweisen sind meist nicht erreichbar. Viele Medikamente auf der SL erfüllen diese Kriterien auch nicht. Der Off-Label-Use müsste damit strengere Kriterien erfüllen als kassenpflichtige Medikamente
  • Neu von Swissmedic zugelassene Produkte und Indikationen sind über die Spezialitätenliste zu vergüten. Mittels Prozessverbesserungen ist die Aufnahme zu beschleunigen.
  • Einführung von Expertengremien zur einheitlichen Nutzenbewertung im KVV Art. 71a-d
  • Ombudsstelle mit Fachexperten zur Beurteilung von Fällen, die abgelehnt wurden
  • Einführung eines Off-Label-Use Registers mit Outcome Daten zur besseren Beurteilung von Einzelfällen
  • Einführung einer verbindlichen Liste mit etablierten Off-Label-Use-Fällen
  • Automatische Kostenübernahme von Standardtherapien der Kinderonkologie, die im Rahmen von internationalen Protokollen eingesetzt werden und von Swissmedic genehmigt wurden
  • Aufbau einer Online-Plattform zur Abwicklung der Gesuche
  • Beibehaltung der bewährten Verhandlungslösung

 

Folgende Organisationen tragen diese gemeinsame Position mit:

All.Can
Alzheimer Schweiz
Crohn Colitis Schweiz
FMH Swiss Medical Association
Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten
H+ Die Spitäler der Schweiz
IG Seltene Krankheiten
Interpharma
Kinderkrebs Schweiz
Positivrat
Rare Disease Action Forum (RDAF)
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung SAKK
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO)
Schweizerische Narkolepsie Gesellschaft
Schweizerischer Fachverband für Selbstmedikation (ASSGP)
Schweizerisches Konsumentenforum (kf)
scienceindustries
Swiss Biotech Association
Verband der Schweizerischen Versandapotheken (VSVA)
Verband Nierenpatienten Schweiz (VNPS)
Vereinigung Pharmafirmen Schweiz (vips)

Lesen Sie alle Forderungen und Massnahmen im PDF.

Alzheimer Schweiz
Gurtengasse 3
3011 Bern
alzheimer-schweiz.ch

ist ein gemeinnütziger Verein mit über 10 000 Mitgliedern und rund 130 000 Gönnerinnen und Gönnern. Die Organisation ist in jedem Kanton mit einer Sektion vertreten. Seit über 30 Jahren unterstützt Alzheimer Schweiz kompetent Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen und Fachpersonen aus der Pflege und Betreuung.