«Manchmal habe ich beim Einkaufen vergessen, etwas zu bezahlen. Und manchmal habe ich auch etwas doppelt bezahlt. In etwa hat es sich die Waage gehalten», erzählt Stefan Müller mit einem Schmunzeln. Inzwischen hat er erfolgreich eine Strategie entwickelt: Er gehe immer an den gleichen Orten einkaufen und habe dem Personal erklärt, dass er an Alzheimer erkrankt sei. Das stiess auf grosses Verständnis. «Seither kommt immer jemand auf mich zu, wenn ich den Laden betrete, und hilft mir, wenn ich Unterstützung benötige. Das ist toll und hilft mir sehr. So bin ich weniger gestresst und kann weiterhin einkaufen gehen. Vorher benutzte ich das Selfscanning-System, nun bezahle ich wieder an der Kasse – dann geht nichts vergessen oder wird doppelt abgerechnet.» 

Stefan ist 58 Jahre alt und Mitglied der Arbeitsgruppe Impuls Alzheimer. Vor rund zwei Jahren erhielt er die Diagnose Alzheimer. «Meine Frau hat schon vor mir gemerkt, dass etwas nicht mehr stimmt. Bei mir hat die Einsicht länger gedauert, vielleicht wollte ich es auch nicht wahrhaben.» Seiner früheren Berufstätigkeit als Management Consultant konnte er nicht mehr nachgehen. «Klar, ich war traurig, als ich die Diagnose erhielt. Meine Frau und ich, wir konnten uns einigermassen rasch auf die neue Situation einstellen. Heute hadere ich nicht mehr, sondern ich habe mit der Krankheit Frieden geschlossen», so Stefan. Zwar brauche er etwas Unterstützung, wenn er etwa am Wochenende mit dem Zug zu seiner Tochter oder seinem Sohn fahre, aber vieles sei nach wie vor machbar. 

Verständnis kann man nur erwarten, wenn man auch Verständnis schafft. Das war für Stefan und seine Frau von Anfang an klar. «Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich Alzheimer habe. Hilfe kann ich nur erwarten, wenn andere wissen, was mit mir los ist», erklärt Stefan, «denn viele können sich nicht vorstellen, was Demenz bedeutet.» Die Offenheit hat sich bewährt. Nicht darüber zu reden, wäre für ihn gleich einem Stillstand und würde bedeuten, auf vieles zu verzichten. «Ich will umsetzen, was ich noch kann, und auch Neues erkunden», führt Stefan weiter aus. Zum Beispiel Ferien in Afrika verbringen oder Saxofon spielen lernen.
 


 
Stefan Müller und seine Frau Nadine Haldemann erzählen in einem Videointerview, das anlässlich der Nationalen Demenzkonferenz 2022 entstanden ist, wie die Diagnose vor zwei Jahren ihr Leben auf den Kopf stellte. Und wie sie seither den Alltag organisieren, mit bürokratischen Hindernissen umgehen oder ihre Finanzen der neuen Situation anpassten. Beide sind sich einig: Wenn man die Situation annimmt, so hält auch ein Leben mit einer Demenzerkrankung viele lebenswerte Momente bereit.