Trennung vom Fahrausweis: Sicherheit geht vor
Es gibt keinen allgemein gültigen Zeitpunkt, wann Menschen mit Demenz ihren Fahrausweis abgeben sollten. Zwar können Fahrfertigkeiten eine Zeit lang erhalten bleiben, doch im Strassenverkehr gilt es oft, schnell und automatisch zu reagieren. Eine Fähigkeit, die mit zunehmender Demenz abnimmt. Darum sind Erkrankte gut beraten, sich rechtzeitig mit dem freiwilligen Verzicht auf den Fahrausweis auseinanderzusetzen. So haben sie Zeit, sich auf ein Leben ohne Auto einzurichten. Denn die eigene Sicherheit und die anderer Verkehrsteilnehmender geht vor. Klappt es freiwillig nicht, können Angehörige bei der Ärztin, dem Arzt oder dem Strassenverkehrsamt eine verkehrsmedizinische Abklärung und je nach Befund eine Probefahrt beantragen. Grundsätzlich müssen sich in der Schweiz über 75-jährige Autolenker_innen alle zwei Jahre ärztlich überprüfen lassen.
«Mit einer Demenz nehmen die Aktivitäten ausserhalb der eigenen vier Wände ganz klar ab», so die Projektleiterin Ass. Prof. Isabel Margot-Cattin von der Haute école de travail
social et de la santé in Lausanne. Hauptsächlich würden Menschen mit Demenz auf ihre bisherigen sozialen Tätigkeiten wie Chor, Turnverein oder Jassen verzichten. Zudem fühle sich die Mehrheit der Befragten krankheitsbedingt im öffentlichen Raum unsicher.
Nur fürs Nötige um Hilfe bitten
«Wenn ich zur Ärztin muss, frage ich den Nachbarn oder eine Freundin», so äusserten sich viele, «aber ich kann doch nicht um Hilfe bitten, wenn ich mich zum Kaffee mit Kolleginnen treffen möchte.» Auch einen Fahrdienst in Anspruch zu nehmen, scheint für die befragten Menschen mit Demenz meist keine Option. Zumindest nicht, um sich zu vergnügen. Der Verlust des eigenen Führerscheins führt so zu weniger Mobilität und dies wiederum zu weniger sozialen Kontakten. Letztere erhalten jedoch bekanntlich die eigenen physischen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten.
Vertrautes schafft Sicherheit
Vertrautheit – dies zeigt die Studie auch – ist zentral,
damit sich Menschen mit Demenz draussen wohl und sicher fühlen. Bloss ist es illusorisch zu meinen, der öffentliche Raum bleibe über Jahrzehnte hinweg gleich. Dazu der Signaletiker Rolf Widmer: «Die menschliche Orientierung funktioniert anhand von Merkpunkten. Davon könnten bis zu zwanzig gespeichert werden.» Mit einer Demenz nehme die Speicherkapazität ab. Zudem orientiere man sich an Bildern besser als an Farben und Zeichen. Die Wahrnehmung von Farben reduziere sich im Alter schneller als diejenige von Formen. So bleibe etwa der Farbwechsel des Busses sekundär, da die Busform dieselbe sei. Währenddessen die Botschaften von Beschriftungen bei zunehmender Demenz immer weniger erfasst würden. Symbole helfen, sofern sie wie dasjenige auf der WC-Türe seit Langem bekannt sind und unmissverständlich seien.
Widmer erläutert auch, wie etwa entgegengesetzte Bedürfnisse für eine behindertengerechte Wegleitung zu Konflikten in der Umsetzung führen: «Zum Beispiel wünschen sich Blinde möglichst einen strukturierten Boden, während für Gehbehinderte jeder Absatz zum Hindernis wird.» Betreffend geeigneten Orientierungsmassnahmen für Demenzbetroffene stosse er oft an Grenzen, weil sie sich nicht mit dem Ortsbild vertragen. Überdies sei der beste Merkpunkt derjenige, der schon lange da war und wenig verändert wurde, wie etwa Häuserfassaden, ein Denkmal, eine Sitzbankgruppe. Diese sind aber dünn gesät. Wie sich also trotz Demenz zurechtfinden?
Üben, üben, üben
Die Studie bestätigt bisherige Empfehlungen. Essenziell ist es, sich frühzeitig mit der Aussenwelt vertraut zu machen. Vor allem wer vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umsteigt oder wer in ein neues Umfeld zieht, braucht Zeit und Übung. Am besten läuft man, auch begleitet, Strecken immer wieder ab, so prägen sie sich ein. Ein_e Ergotherapeut_in kann mit Menschen mit Demenz die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel einüben. Ein relativ tiefer Aufwand, um die Mobilitätsautonomie möglichst lange zu bewahren.
Letztlich zeigt sich auch, wie wichtig die aktive Rolle des nahen Umfelds ist: Ob als Nachbar, als Vereinskollegin, als Freund, als Freundin – wir alle können merklich dazu beitragen, damit Menschen mit Demenz unter den Leuten bleiben. Mitunter genügt es, bei der betroffenen Person an der Türe zu klingeln und sie zu einer Spritzfahrt mitzunehmen.
Kommentare
Hadorn Katharina
11.02.2021Alzheimer Schweiz
12.02.2021