Bei Demenzerkrankungen nehmen die Sprachfähigkeit und das Sprachverständnis mit der Zeit ab. Verantwortlich dafür sind Schädigungen des Hirngewebes, wie bei der Alzheimer-Erkrankung oder der vaskulären Demenz, den häufigsten Formen einer Demenz. Meist zeigen sich die Kommunikationsprobleme nicht sofort, erklärt die Gerontologin und Psychologin Stefanie Becker, Direktorin von Alzheimer Schweiz: «Erste Wortfindungsstörungen können noch gut mit Redewendungen und Umschreibungen verborgen werden.» Doch mit fortschreitender Erkrankung fällt es erkrankten Menschen zunehmend schwer, einem Gespräch zu folgen und komplizierte Sätze zu verstehen.
Auch haben sie immer mehr Mühe, sich aktiv an einem Gespräch zu beteiligen und ihre Wünsche und Gedanken zu artikulieren. Vergesslichkeit beeinträchtigt die Kommunikation ebenfalls: Weil die Betroffenen neue Informationen nicht mehr so gut oder gar nicht mehr speichern können, stellen sie häufig die gleiche Frage, obwohl diese bereits mehrfach beantwortet worden ist: Wann ist der Arzttermin? Wann kommt die Tochter zu Besuch?
Rückzugsspirale durchbrechen
«Die Erfahrung, dass die gegenseitige Verständigung zu entgleiten scheint, ist für alle schmerzlich», weiss Stefanie Becker. Angehörige haben das Gefühl, es sei keine Kommunikation mehr möglich, vor allem, wenn schon Konflikte aufgetreten sind. Für die Menschen mit Demenz selber ist es verwirrend und beängstigend, ihr Gegenüber nicht mehr zu verstehen und nicht mehr verstanden zu werden. Um Frustration und Kritik zu vermeiden, ziehen sie sich zurück – trotz weiterhin bestehendem Bedürfnis, sich mitzuteilen und mit anderen in Kontakt zu sein. Die Folge ist eine Spirale des Rückzugs und des Verstummens, doch diese gilt es laut der Expertin zu durchbrechen.
Nur wenn es den Angehörigen gut geht,
können sie ein Anker im Alltag
für die erkrankte Person sein.
«Wir alle benötigen Austausch, Anteilnahme und Beziehungen für unser psychisches Wohlbefinden», hält Stefanie Becker fest. Soziale Kontakte helfen zudem, die sprachlichen Fähigkeiten von Menschen mit Demenz möglichst lange zu erhalten. Vor allem Aktivitäten, bei denen die Sprache gefordert ist, fördern diese, sagt die Fachfrau. Ein geeignetes Gesprächsthema ist das Hier und Jetzt: Dinge, die man sehen, hören oder anfassen kann. Auch bei Themen aus der Lebensgeschichte «sprudeln die Worte». Der Grund ist, dass das Langzeitgedächtnis länger funktioniert. Durch das Erzählen von früher erleben sich Erkrankte als kompetent und sind um eine positive Erfahrung reicher.
Einfühlen statt korrigieren
Es gibt mehrere praktische Regeln, die die Kommunikation erleichtern (siehe auch Übersicht auf Seite 8). Grundsätzlich ist es nie hilfreich, eine Person mit Demenz zu korrigieren oder zurechtzuweisen. «Das kann zu Rückzug, Widerstand oder gar Verzweiflung führen», sagt Stefanie Becker. Denn krankheitsbedingt ist es den Betroffenen gar nicht mehr möglich, sich anzupassen. Sie wollen ihre Angehörigen auch nicht absichtlich ärgern. Mit diesem Wissen kann man bei Kommunikationsschwierigkeiten häufiger und besser gelassen bleiben, so die Fachfrau. Sie empfiehlt, einfühlsam zu reagieren und die veränderte Realität der erkrankten Person anzuerkennen.
Bei repetitiven Fragen zum Beispiel hilft es, die Antwort sichtbar zu machen, also auf einem Board oder Zettel zu vermerken, wann der Arzttermin ansteht oder die Tochter zu Besuch kommt. Auch ist es ratsam, auf mögliche dahinterstehende Gefühle einzugehen, sagt Stefanie Becker: «Wenn eine an Demenz erkrankte Person ständig fragt: ‹Um welche Zeit gehen wir›?, hilft eine Antwort wie: ‹Ich verstehe, dass dieser Termin wichtig für dich ist. Keine Angst, ich kümmere mich darum.›» Vielleicht brauche es mehrere Versuche, bis man richtig liege. Dreht die Frage weiter, ist Ablenkung eine gute Vorgehensweise. Es kann zudem sein, dass sich in intensivem Frageverhalten Unwohlsein, Schmerzen, Hunger oder Blasendruck widerspiegelt.
Blickkontakt und Pausen
Eine ruhige Umgebung, Blickkontakt, klare, konkrete Aussagen und eine langsame Sprechweise, die Pausen aushält, sind förderlich für ein Gespräch. «Demenzerkrankte Menschen benötigen Zeit, um die Äusserungen des Gegenübers zu verarbeiten und Antworten zu finden», erklärt Stefanie Becker. Gestik und Mimik, die das Gesagte veranschaulichen, unterstützen das Verständnis. Das Nonverbale gewinnt ohnehin im Verlauf der Erkrankung an Bedeutung. «Je weniger die betroffene Person auf sprachliche Informationen reagieren kann, desto mehr fühlt sie sich durch die Art und Weise angesprochen, wie wir ihr begegnen», sagt die Expertin.
Das kann der Klang der Stimme sein, ein Lächeln, eine Berührung. Damit rückt die Ebene der Beziehung und der Gefühle in den Vordergrund – und macht vielleicht laut Stefanie Becker «den Weg dafür frei, der erkrankten Person noch einmal ganz neu zu begegnen». Auch Musik kann bei Demenz viel bewirken. Selbst Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind für eine Weile aufmerksam und sprechen, wenn sie ihre Lieblingsstücke hören: «Das ist immer wieder sehr eindrücklich zu sehen.»
Auf Selbstfürsorge achten
Trotz allem Einfühlungsvermögen und Bemühen um eine verständnisvolle Kommunikation wird es allerdings Situationen geben, in denen Angehörige an die Grenzen ihrer Geduld gelangen. «Das ist völlig normal und kein Grund, sich schuldig zu fühlen», sagt Stefanie Becker. Es sei dann ratsam, sich kurz zu entfernen und zu sammeln, bevor man wieder mit der an Demenz erkrankten Person in Kontakt tritt.
Vor allem aber dürfen und sollen Angehörige sich Selbstfürsorge zugestehen. Das kann vieles umfassen: eigene Freiräume einplanen, Hilfe bei der Betreuung annehmen, sich beraten lassen durch die vielfältigen Angebote von Alzheimer Schweiz und den Organisationen in den Kantonen. Unterstützung zu holen, ist kein Zeichen von Schwäche, betont Stefanie Becker. Ganz im Gegenteil: «Nur wenn es den Angehörigen gut geht, können sie ein Anker im Alltag für die erkrankte Person sein.»
Den Ratgeber und weitere hilfreiche Informationen finden Sie auf alz.ch/publikationen.
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