Eine notwendige Modernisierung

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe der «auguste» liegt auf den Themen Testament, Legat und Fragen zum Erbrecht. Deswegen möchten wir Sie über die Revision des Familienrechts informieren. Das geltende Erbrecht ist vor über hundert Jahren in Kraft getreten. Es gilt als nicht mehr zeitgemäss, da es den zahlreichen gesellschaftlichen Veränderungen nicht gerecht wird: Heiraten ist nicht mehr die Norm, Scheidungen sind keine Ausnahme mehr und moderne Formen des Zusammenlebens sind verbreitet. 2015 hatte der Bundesrat in seinem Bericht «Modernisierung des Familienrechts» darauf hingewiesen, dass der gesellschaftliche Wandel in den letzten Jahrzehnten zu einer Kluft zwischen den Lebenssituationen und den Rechtsnormen geführt hat. Aufgrund dieser Erkenntnis wurde das Erbrecht revidiert. Wir möchten Ihnen hier die wichtigsten Änderungen vorstellen, die am 1. Januar 2023 in Kraft treten. 
 

Zwei wichtige Neuerungen

Die wichtigste Anpassung dieser Revision ist die Senkung der Pflichtteile, die dafür sorgen, dass die gesetzlichen Erben je nach Verwandtschaftsgrad einen Mindestteil der Erbschaft erhalten. Da der Pflichtteilsanspruch zukünftig unter gewissen Bedingungen reduziert wird, erhält der Erblasser mehr Verfügungsfreiheit: 
 

  • Im neuen Erbrecht beträgt der Pflichtteil anstatt drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs nur noch die Hälfte. Eine Erblasserin oder ein Erblasser mit Kindern kann somit über die Hälfte ihres oder seines Vermögens frei verfügen und so gewisse natürliche Personen wie die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner oder juristische Personen wie Vereine und Stiftungen begünstigen. 
     
  • Der Pflichtanteil für die Eltern, der heute die Hälfte der Hinterlassenschaft beträgt, fällt sogar ganz weg. 
     
  • Für überlebende Ehepartner sowie eingetragene Partner wird der Pflichtteil im Gesetzesentwurf dagegen beim Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses belassen. 
     

Weiter sieht das neue Recht vor, dass der überlebende Partner seinen Pflichtteilsanspruch verliert, wenn beim Tod der Erblasserin oder des Erblassers eine Scheidung oder die Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft hängig ist. 


Worauf müssen Sie achten?

Vor dem 1. Januar 2023 verfasste Testamente und Erbverträge bleiben unter dem neuen Gesetz gültig. Die Teilung des Nachlasses der verstorbenen Person folgt den zum Zeitpunkt der Erstellung festgelegten Bedingungen. Wer die Möglichkeiten des neuen Erbrechts nutzen will, muss die nötigen Änderungen oder Anpassungen dieser Dokumente vornehmen. Mit einer kurzen Prüfung der bereits verfassten Bestimmungen im Todesfall lassen sich gewisse Probleme vermeiden, die mit dem Inkrafttreten des neuen Erbrechts auftauchen könnten, wie beispielsweise die Anwendung des neuen Rechts auf bestimmte Klauseln des Testaments. 

Personen, die weder verheiratet sind noch in einer eingetragenen Partnerschaft leben, müssen weiterhin aktiv ihre Erbfolge regeln, um ihre Partnerin oder ihren Partner zu begünstigen.


Mehr Selbstbestimmung, wenn die nötigen Anpassungen vorgenommen werden 

Dank einem höheren Anteil an frei verfügbarer Quote ermöglicht das neue Erbrecht dem Erblasser mehr Spielraum bei der Nachlassplanung, wenn Nachkommen vorhanden sind. Wer das revidierte Familienrecht nutzen will, das moderne Formen des Zusammenlebens wie das Konkubinat oder Patchworkfamilien berücksichtigt, muss seine Nachlassplanung anpassen. 

Weitere Informationen zu Erbschaften und Legate finden Sie unter: alz.ch/erbschaft-legate