Alle Menschen waren schon einmal in einem Zoo. Der Zoo weckt Erinnerungen an die Kindheit, an die Schulreise in den Basler «Zolli» und an Ausflüge mit den eigenen Kindern, dem Göttibub und dem Grosskind. Es sind schöne Erinnerungen. Man konnte Menschenaffen bestaunen, die tiefgründig dreinschauen, sich an tolpatschigen Jungtieren erfreuen und sich überlegen, ob man die Elefanten oder doch die Löwen beeindruckender findet.
Sich von Tieren berühren und faszinieren zu lassen, das funktioniert bei Jung und Alt, bei Gesunden und Kranken, bei Menschen mit und ohne Demenz. Diesen Umstand hat sich Alzheimer Zürich zunutze gemacht und vor zwei Jahren die Zooführungen für Menschen mit Demenz und Angehörige ins Leben gerufen. «Der Zoo ist für Menschen mit Demenz leicht zugänglich. Sie haben Erinnerungen an eigene Zoobesuche und es kommt ihnen bekannt vor, wenn sie nun wieder zu einem Besuch in den Zoo kommen», sagt Christina Krebs, Geschäftsleiterin von Alzheimer Zürich. Es riecht nach Tier, Kinder rennen herum und schlecken Glacen. Das war schon früher so, es ist ein vertrauter Ort. «Menschen mit Demenz sind im Zoo nicht völlig verloren, sie bekommen eine Kompetenz zurück: Ich weiss, wo ich bin. Das gibt ihnen Sicherheit und macht Freude.» Der Zoo ermöglicht berührende Erlebnisse in einer gewohnten Umgebung. Man muss nichts intellektuell begreifen, kann ganz einfach schauen, erleben und sich freuen.
Die Zooführungen sind so gestaltet, dass sie den Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen etwas bieten, die Erkrankten aber nicht überfordern. Eine knappe Stunde sind die Gruppen unterwegs. Sie machen Halt bei Tieren, die gut sichtbar sind, und bei Gehegen, die nicht viel Erklärungen brauchen. Dank der Führungen können die Besucher_innen auch vieles anfassen: Federn, Felle, Eier von Pinguinen, Hörner oder auch kleine Schildkröten. Bei einem Znüni im Zoo-Restaurant klingen die Besuche gemütlich aus.
Teilnehmen am normalen Leben
Die Führungen im Zoo verfolgen dieselben Ziele wie andere Projekte, die auf Partizipation setzen. Menschen mit Demenz sollen am normalen Leben teilhaben können, der Krankheit «Demenz» ein Gesicht geben und ihr so den Schrecken nehmen. Wider die Stigmatisierung, wider den Rückzug und wider die Isolation. Erkrankte können trotz der Einschränkungen, die eine Demenz mit sich bringt, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen, Veranstaltungen besuchen und gemeinsam mit anderen aktiv sein. Häufig scheitert es daran, dass die Öffentlichkeit nicht auf den Umgang mit Menschen mit Demenz vorbereitet ist und ihre Bedürfnisse nicht kennt. Diese Lücken gilt es zu schliessen. Wie das geht, zeigen die Zooführungen exemplarisch. Dank geschultem Personal und gezielter Unterstützung können Menschen mit Demenz einen ganz normalen Vormittag im Zoo erleben und geniessen.
Viele positive Rückmeldungen
Die Erfahrungen, die Alzheimer Zürich mit den Zoobesuchen gemacht hat, sind durchwegs positiv. Christina Krebs: «Angehörige erzählen häufig nach dem Besuch, dass der Partner oder die Mutter schon lange nicht mehr so wach gewirkt hat und voll dabei gewesen ist wie während der Führung. Eine Frau hat mich nach einer der Führungen zur Seite genommen und mir gedankt. Ihr Mann ist im Zoo problemlos mitgegangen, was sonst eher schwierig sei, und er hat sogar nach langer Zeit wieder ein paar Worte gesprochen.»
Für die Angehörigen ist es eine positive Erfahrung. Sie können schöne Momente mit ihrem Partner oder ihrer Mutter teilen. Es sind Erlebnisse, die im Alltag nachhallen. Ein Vormittag unter Tieren kann helfen gegen das Vergessen und er tut generell gut. Wann waren Sie das letzte Mal im Zoo?
Beliebtes und bewährtes Angebot
Alzheimer Zürich hat mit allen Zoo-Führer_innen im Vorfeld eine intensive Schulung zu Demenz durchgeführt. Einige waren zuerst skeptisch, ob so etwas klappen kann und ob sie kompetent genug sind, eine solche Gruppe zu führen. Unterdessen sind die Führungen bei den Zoo-Mitarbeitenden sehr beliebt. Sie seien lustig, herzensecht und überraschend.
Alzheimer Zürich und der Zoo Zürich veranstalten die Zoobesuche für Menschen mit Demenz seit Herbst 2018. Die Zürcher Kantonalbank unterstützt diese Veranstaltungen als Partnerin von Alzheimer Zürich. Die Zoobesuche waren von Beginn weg ein Erfolg und die Rückmeldungen begeistert. Grössere Anpassungen waren nicht nötig, einzig Führungen in der Masoala-Halle haben sich nicht bewährt. Die Tiere sind in der grünen Dschungelumgebung zu wenig sichtbar und die grosse Halle mit ihrem warm-feuchten Klima wird als weniger angenehm empfunden als der Spaziergang draussen an der frischen Luft.
Kommentare
Gerd Walter
26.06.2020