Wieso sollen sich schon Kinder mit dem Thema Demenz befassen?
NH: Noch ist dies leider, im Gegensatz zu Krebs, ein Tabu-Thema. Wenn sich aber schon Kinder damit befassen, dann sprechen sie in der Schule darüber. Und es fällt ihnen später leichter, sich damit zu beschäftigen.
Monika Schümperli (MS): Ich finde es enorm wichtig, dass man schon mit Kindern über Demenz spricht. Denn es gibt immer mehr Familien, in denen die Grosseltern schon etwas älter sind und deshalb das Risiko einer Demenzerkrankung steigt. Je früher man Kinder informiert, desto besser. So kann man kindgerecht in das Thema einführen. Dann ist Kindern bewusst, dass es nicht böser Wille ist, sondern eine Krankheit, wenn jemand den Weg nicht mehr findet oder die Senftube im Schuhschrank aufbewahrt. Das Kind weiss, mein Grosi vergisst zwar alles, sie bleibt aber immer noch mein Grosi.
Wie wichtig sind Enkel für demenzerkrankte Menschen?
MS: Kinder haben keine Vorurteile gegenüber Menschen mit Demenz. Sie nehmen ihr Grosi oder ihren Grossvater so an wie sie sind und gehen ohne Hemmungen mit ihnen spazieren und einkaufen. Die Kinder brauchen dazu etwas Unterstützung der Eltern, welche ihnen erklären, dass der Grossvater wegen der Krankheit beispielsweise nicht mehr alles weiss oder öfters dasselbe erzählt oder fragt. Kinder kommen erstaunlich gut klar mit einer Demenzdiagnose.
Wie sollen Eltern ihre Kinder darauf vorbereiten, dass ein Grosselternteil anders reagiert als gewohnt und sich dieser Zustand verschlechtern wird?
MS: Wichtig ist, dass sich die Eltern selbst gut über Demenz informieren. Als Einstieg eignen sich Spiel- und Dokumentarfilme zum Thema. Es gibt gute Bücher und man kann im Internet, z.B. auf der Website von Alzheimer Schweiz, hilfreiche Informationen finden. Ich empfehle immer, bei einem Verdacht eine Abklärung zu machen. Mit einer ärztlichen Diagnose weiss man, womit man es zu tun hat. Danach soll man die Familienmitglieder informieren und überlegen, was können wir als Familiengefüge dazu beitragen, dass die Betroffenen gut begleitet werden. Auch für die erkrankte Person gibt es bei einer frühen Diagnose viele Dinge, die sie noch selbst klären und festhalten kann, zum Beispiel in einem Vorsorgeauftrag, einer Patientenverfügung und in einer Nachlassregelung. Ich begleite aktuell eine Familie, in welcher nichts vorgesorgt worden ist – und das erschwert alles, da die erkrankte Person nicht mehr zuhause leben kann. Man sollte sich früh um Entlastungsangebote kümmern. Für solche und viele weitere Fragen können sich Betroffene an die Alzheimer-Sektionen wenden.
Was fasziniert dich am Thema Alzheimer und anderen Demenzformen?
NH: Ich habe das Thema gewählt, weil ich später wahrscheinlich Medizin studieren möchte. Da ich gerne mit Menschen zusammenarbeite, habe ich zwei Praktika absolviert: Eines im Heim Sonnweid in Wetzikon und ein weiteres im GeriAtrium in Pfäffikon (ZH). Es war enorm wertvoll, mit Menschen mit Demenz zu arbeiten, und diese Zeit inspirierte mich sehr. Von Monika Schümperli habe ich viel über Alzheimer gelernt und vor allem erfahren, wie wichtig es ist, darüber zu reden. Sie hat mich auf viele wichtige Bücher hingewiesen. Durch den Austausch mit ihr und der Literatur konnte ich besser einordnen, was ich in den Praktika erlebt hatte. Meine Beschäftigung mit diesem Thema hat in unserer Schule schliesslich den Anstoss gegeben, beim neuen Theaterstück auch Menschen mit Demenz einzubeziehen.
Wie wichtig ist es, dass sich junge Leute wie Nicoline für das Thema interessieren?
MS: Nach wie vor stellt das Alter das grösste Risiko dar, an Alzheimer oder an einer anderen Demenzform zu erkranken: Je älter wir werden, desto mehr Betroffene gibt es. Ich sehe bei der Pflege von Menschen mit Demenz immer wieder, wie entscheidend geschultes Personal ist. Es braucht Fachpersonen, die sich mit Demenz auskennen und wissen, wie man mit Verhaltensauffälligkeiten umgeht. Es gibt auch zu wenig Ärztinnen und Ärzte, die sich mit Demenz befassen, in Heimen arbeiten und für eine gute medizinische Betreuung sorgen. Demenzerkrankungen gehen auch uns als Gesellschaft etwas an: Wie geht man mit betreuenden Angehörigen um? Wie bildet man ihren Einsatz in den Sozialleistungen ab? Wo immer ich kann, setze ich mich für niederschwellige und erschwingliche Angebote ein – sei das durch Schaffung eines Entlastungsangebotes in den Gemeinden, einem Tanzkaffee oder einem Gipfeltreffen – unterstützt durch die kantonalen Alzheimer Sektionen.
Kommentare
Hans-Peter
09.06.2023Harriet Simon
09.06.2023Natascha Kalman
09.06.2023Nicole
11.06.2023Alex
11.06.2023Alfred Eich
13.06.2023Nicole wenn Du in Zukunft etwas für die Beschleunigung der Zulassung und die Heilung machen kannst drücke ich Dir beide Daumen.
Alzheimer Schweiz
13.06.2023Erika Kälin
10.07.2023