Seit Längerem habe ich das Gefühl, dass meine tägliche To-do-Liste immer länger wird. Der Grund dafür ist nicht, dass ich mehr Aufgaben habe als sonst. Oder dass ich diese weniger schnell abarbeiten würde. Es ist mein Gedächtnis, das scheinbar immer mehr Lücken aufweist. Mittlerweile führe ich nämlich nicht nur eine handschriftliche Liste, wie ich es jahrelang machte. Sondern inzwischen deren drei! Die erste umfasst organisatorische Aufgaben, also welche Einkäufe, Zahlungen oder Rechnungen anstehen. Liste Nummer zwei befindet sich auf meinem Handy. Hier notiere ich meine Ideen, die ich später für meine journalistische Arbeit, meine Kolumnen und Bücher verwende. Und in der dritten Liste halte ich persönliche Termine fest. Beispielsweise Impftermine für meine Hunde, Geburtstage, die ich nicht vergessen darf, oder Geschenke, die ich für eine Party kaufen muss.
Bereits als junge Frau fiel es mir schwer, mir Namen zu merken. Anfangs war mir das peinlich. Es macht ja nicht unbedingt einen guten Eindruck, wenn man bereits 30 Sekunden nach dem ersten Kennenlernen nicht mehr weiss, wie das Gegenüber heisst. Aber nachdem ich gemerkt hatte, dass es meinem Umfeld manchmal auch so ging, konnte ich lockerer damit umgehen. Doch in letzter Zeit verflüchtigten sich nicht nur Namen, sondern auch öfter Alltagsgegenstände wie zum Beispiel meine Lesebrille, die nicht irgendwo, sondern in meinen Haaren steckte. Auch mein Handy ist des Öfteren auf wundersame Weise verschwunden. Dann hilft nur noch ein Telefonanruf meines Mannes, um das Objekt der Begierde aufzuspüren. In diesen Momenten seufze ich dann: «Ich habe ein Gedächtnis wie ein Sieb.»
Offenbar kennen viele Menschen ab 50 dieses Problem. Immer wieder höre ich von Freundinnen die Klage, dass sie mitten in einem Zimmer stehen und plötzlich nicht mehr wissen, was sie eigentlich machen wollten. Obwohl wir über diese und andere Vergesslichkeitsstorys lachen, geht es uns doch allen gleich: Ein gewisses Unbehagen bleibt. Und damit die Frage, ist das noch «normal» und altersbedingt?
Nachdem ich den Film «Still Alice» gesehen hatte, in dem die grossartige Julianne Moore eine Professorin spielt, die an einer frühen Form von Alzheimer erkrankt, verstärkten sich meine Sorgen. Vor allem, weil mein Vater unter Demenz litt und seine letzten Jahre in einem Pflegeheim verbrachte.
Darum sprach ich mit einem befreundeten Psychiater über meine Befürchtungen. Er hörte mir ruhig zu, als ich ihm erzählte, wie gestresst ich mich seit Wochen fühlte. Und sagte: «Deine Festplatte ist überfordert. Du arbeitest zu viel und schläfst zu wenig. Damit überforderst du dich selber.» Vor weiteren Abklärungen wäre es gut, mehr Entspannung im Alltag einzubauen. Und dies machte tatsächlich auch Sinn: Meine Fähigkeit zum Multitasking mag zwar zeitsparend sein, weil ich, etwas überspitzt gesagt, gleichzeitig meine Lippen schminken, ein Manuskript lesen und mir dabei überlegen kann, was ich zum Nachtessen kochen will. Aber diese Fähigkeit führt eben auch dazu, dass ich mich oft verzettle.
So versuche ich heute, mich auf eine einzige Aufgabe zu konzentrieren. Auch reagiere ich nicht mehr sofort auf jede E-Mail oder andere Nachrichten in den sozialen Medien. Mit diesen kleinen Veränderungen bin ich wirklich ruhiger und fokussierter geworden. Aber ich werde trotzdem weiter beobachten, wie sich meine Vergesslichkeit entwickelt. Und wenn mich etwas in diesem Zusammenhang beängstigt, werde ich mich nicht scheuen, weitere Abklärungen vorzunehmen.
Silvia Aeschbach ist Journalistin, Autorin und Bloggerin. Sie schreibt u.a. für tagesanzeiger.ch und die «SonntagsZeitung». Zudem veröffentlicht sie in der «Coopzeitung» wöchentlich ihre beliebte Kolumne. Sie hat vier Bestseller geschrieben. Der letzte, «Glück ist deine Entscheidung», erschien im Frühling 2019. Silvia Aeschbach lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Hunden in Zürich.
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